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Nach dem Verkauf der UKW-Antennen streiten sich die neuen Eigentümer mit den Sendern – es geht um viel Geld

Der Machtkampf um die Verbreitung des UKWRadios spitzt sich zu. Bereits Anfang April drohte rund zehn Millionen Radiohörern ein UKW-Blackout. Der bisherige Eigentümer hatte die gesamten UKW-Antennen vor wenigen Monaten verkauft. Nun stehen auf der einen Seite die neuen Besitzer der UKW-Antennen, über die Radioprogramme ausgestrahlt werden. Auf der anderen Seite stehen die Betreiber von sogenannten Sendernetzen, die als Dienstleister für Radiosender die technische Übertragung der Senderinhalte übernehmen.

Von diesem Streit, bei dem es um viel Geld geht, sind private wie öffentlichrechtliche Radiosender betroffen, darunter das Deutschlandradio, Radio NRW und der NDR. Eine UKW-Abschaltung in Teilen der Republik konnte zwar Ende März in letzter Minute abgewendet werden – doch das Szenario ist damit nicht vom Tisch.

Denn die beteiligten Unternehmen, die im Kern über die Höhe der Mietpreise für die privatisierten UKW-Antennen streiten, sollen sich zwar auch auf Wunsch der Bundesländer bis Ende Juni einigen. Doch danach sieht es im Moment nicht aus. Zu groß scheinen die Gräben zwischen einer Reihe von neuen Antennenbesitzern und den Netzbetreibern, die von der Nutzung der Antennen abhängig sind.

32 Radioveranstalter aus ganz Deutschland, die täglich 28 Millionen Radiohörer erreichen, darunter Radio FFH, Radio Schleswig-Holstein und Antenne Thüringen, haben den Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier darum zum Handeln aufgerufen. In einem Schreiben vom 18. April, das WELT vorliegt, protestieren die privaten Radiosender „gegen die drohende massive und rücksichtslose Abschaltung eines zentralen Mediums der Massenkommunikation“. Nicht nur die Liberalisierung des Radiomarktes sei bedroht, sondern auch die Existenz von Radiounternehmen insgesamt.

Inzwischen hat die für die UKW-Hörfunkfrequenzen zuständige Bundesnetzagentur reagiert. Die Regulierungsbehörde hat in den vergangenen Tagen intensiv geprüft, ob die neuen Eigentümer der Antennen einer Marktregulierung unterworfen werden könnten. „Das ist grundsätzlich möglich“, informierte Jochen Homann, der Präsident der Bundesnetzagentur. Nun müsse geklärt werden, ob es Anbieter auf dem Radiomarkt gibt, die über „beträchtliche Marktmacht“ verfügten, was die Bereitstellung von UKW-Antennen angehe.

Mit anderen Worten: Sie wollen prüfen, ob Antennenbesitzer ihre Position nutzen wollen, um ungerechtfertigt hohe Preise von Netzbetreibern und damit von den Radiosendern zu verlangen. Fest steht für die Netzagentur auf WELT-Nachfrage schon jetzt: „Die Drohung mit einer unmittelbaren flächendeckenden Abschaltung von UKW-Ausstrahlungen ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des deutschen Rundfunkwesens.“

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Die Abschaltung der Sender als Ultima Ratio hatte ursprünglich die Firma Media Broadcast über ihren Chef Wolfgang Breuer in einem WELT-Gespräch ins Spiel gebracht. Media Broadcast war über viele Jahre Besitzer der UKW-Antennen und Sendernetzbetreiber zugleich. Dass diese Firma gleich beide Aufgaben übernommen hatte, liegt daran, dass sie eine Ausgründung der Deutschen Telekom ist, die in Nachfolge der Deutschen Bundespost früher das Monopol auf die UKW-Verbreitung hatte.

Offiziell hat sich Media Broadcast, seit 2016 eine Tochter des Telekommunikationsunternehmens Freenet, von dem Geschäftszweig UKW verabschiedet. Offenbar erschien der Firma das UKW-Geschäft nicht mehr lukrativ genug – Mutter Freenet ist ein börsennotiertes Unternehmen. Darum entschloss sich Media Broadcast letztlich dazu, die Antennen zu verkaufen.

Dieser Verkauf, der vor wenigen Monaten abgeschlossen wurde, war letztlich der Ausgangspunkt für die aktuelle Fehde, die zu dem partiellen Blackout führen könnte. Ein beachtlicher Teil der insgesamt rund 700 Antennen, die Rede ist von rund zwei Dritteln, soll an insgesamt fünf Finanzinvestoren gegangen sein, die bisher nicht auf dem Radiomarkt aktiv waren. Zwar ist von rund insgesamt rund 30 Käufern die Rede, doch in vielen Fällen erwarben einzelne Sender selbst die für ihre Region relevanten Antennen, um möglichst unabhängig zu sein. Die Investoren sehen sich indes nicht an die bisher regulierten Preise gebunden. Kenner des Marktes gehen von geforderten Preiserhöhungen von marktweit mindestens 20 Prozent aus. Was beispielsweise den Sendernetzbetreiber Uplink, der für mehr als 500 UKW-Frequenzen zuständig ist, nach eigener Aussage in erhebliche Schwierigkeiten bringt.

„Sowohl im Vergleich der bisherigen regulierten Preise als auch mit Blick auf einen theoretischen Neubau aller Antennen ist das viel zu teuer“, sagte Uplink-Geschäftsführer Michael Radomski auf WELT-Anfrage. Zahlreiche Standorte seien für Radioveranstalter „nicht mehr wirtschaftlich betreibbar“. Neue Antennen könnten auf den bestehenden Türmen und Masten auch nicht montiert werden, es gäbe dafür schlicht keinen Platz.

Warum nun die Preissteigerungen – obwohl doch eigentlich Preissenkungen das Ziel einer Marktliberalisierung mit mehreren Anbietern ist? Radomski sagt zu dieser Frage: „Wir gehen davon aus, dass die neuen Eigentümer weit überhöhte Preise gezahlt haben, sogar auch mehr als ein Neubau gekostet hätte.“ Diese Ausgaben würden nun weitergegeben. Uplink habe sich selbst um den Kauf von Antennen bemüht, wurde sich aber nicht mit Media Broadcast einig, sagt Radomski.

Während Netzbetreiber Radomski kritisiert, der Verkaufsprozess der Antennen sei seiner Meinung nach „eine Schauveranstaltung“ gewesen, streitet ein Sprecher der Media Broadcast diese Vorwürfe allesamt ab. Die Kaufpreise der Antennen hätten zwischen 30 und 60 Prozent des Wiederherstellungswertes betragen, der dem Neuwert entspricht. „Teilweise steigende Kosten“ seien auf Mieterhöhungen für Funktürme, den Wegfall einer Ausgleichsklausel für besonders unrentable Standorte und letztlich der Kalkulation wirtschaftlicher Marktpreise durch die neuen Eigentümer zurückzuführen, erklärt der Sprecher.

Dass einzelne Marktteilnehmer wie Uplink, die nicht zum Zuge gekommen seien, „im Nachhinein behaupten, die Infrastruktur wäre zu teuer veräußert worden, ist nicht ungewöhnlich“. Dass die fünf Finanzinvestoren alle aus dem Umfeld der Media Broadcast beziehungsweise der Freenet kommen sollen, wie Uplink-Chef Radomski behauptet, dementiert der Sprecher so: „Es gibt keine Verflechtungen zwischen Antennenkäufern und Media Broadcast oder der Freenet AG.“

Die Fronten sind maximal verhärtet, auch die zwischen den jeweiligen Stellvertretern der Firmen. Aufseiten von Sendernetzbetreiber Uplink steht der ehemalige Postminister Christian Schwarz-Schilling als Aufsichtsrat. Er selbst war für die Öffnung des Telekommunikationsmarktes verantwortlich und zeigt sich im Gespräch mit WELT entsetzt über das Vorgehen der neuen Antennenbesitzer: „Durch diese fast schon mafios zu nennende Handhabung ist eine Überführung in den Wettbewerb nicht möglich.“ Auf der Gegenseite positionieren sich der SPD-Politiker Wolfgang Clement und der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma als Aufsichtsräte von Media Broadcast, respektive Freenet. Sie träten, heißt es in einer Stellungnahme, „für freien, fairen und transparenten Wettbewerb“ ein. Am besten „ohne die regulierenden Hände von Politik und Administratoren“.

Der Rückzug der Media Broadcast aus dem UKW-Markt ist perspektivisch nachvollziehbar, denn die Verbreitung von Radiosendern wird sich zwar nicht in den nächsten Jahren, aber doch mittelfristig auf rein digitale Kanäle verlegen. Auch eine Trennung von Antennenbesitz und Sendernetzbetrieb war theoretisch im Sinne der Liberalisierung – der UKW-Markt war das letzte Monopol auf dem Telekommunikationsmarkt. Doch genau dieser Prozess der Entflechtung und der Einführung von Wettbewerb scheint in diesem konkreten Fall nicht zu funktionieren.

Weil die verschiedenen Beteiligten auf einem Markt mit ablaufendem Haltbarkeitsdatum mit offenbar unvereinbaren Kalkulationen aufeinanderprallen. „Das Vorgehen der Media Broadcast offenbart, dass die Rundfunkverbreitung in Deutschland zum Spielball privater Finanzinvestoren geworden ist“, ätzen jedenfalls die Unterzeichner des Briefes an Wirtschaftsminister Altmaier. Zum Vorwurf, die UKW-Infrastruktur werde zum Spekulationsobjekt, sagt der Sprecher von Media Broadcast: „Das entbehrt jeder Grundlage.“

Quelle: www.welt.de

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